Pastor John, verschiedene Hörer haben uns eine E-Mail mit der Frage geschickt: Wie weit kann ein verlobtes Paar vor der Ehe gehen? Wie weit ist zu weit?
Das ist eine wirklich wichtige Frage. Wir erleben in unserer Kultur eine Überschwemmung mit sexuellen Reizen. Man kann kaum ins Internet gehen, ohne an der Seite irgendeine Werbung zu sehen, die darauf ausgelegt ist, sexuelles Verlangen zu wecken. Kaum eine Fernsehsendung und kaum ein Film kommen ohne den Kitzel der Lust aus. Es ist wirklich allerhand, womit wir heute zurechtkommen müssen. Deswegen ist eine wesentliche Frage, wenn ein junger Mann und eine junge Frau (oder auch ein älterer Mann und eine ältere Frau) anfangen, Zeit miteinander zu verbringen: Wie sieht die körperliche Seite aus?
Die Bibel ist unser Führer und unsere Autorität. Es gibt dort keinen einzigen Satz, der sagt: „Okay, ihr Verlobten oder Paare, die gerade in eine Beziehung starten – das dürft ihr tun und das nicht.“ Wir müssen uns dieser Frage annähern, indem wir die Wahrheiten der Bibel zusammenführen, um daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Lasst mich so eine Zusammenführung versuchen.
Als erstes: Sex ist gut. Ich möchte nicht gleich mit „schlecht!“ oder „Vorsicht!“ anfangen. Sex ist gut. Nach 1. Timotheus 4,3 werden Zeiten kommen, wo gewisse Leute unter anderem die Ehe verbieten, weil es in der Ehe dieses hässliche Ding namens Sex gibt. Paulus erklärt ferner in 1. Timotheus 4,4–5: “Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch Gottes Wort und Gebet.”
Es mag uns überraschen, aber das bedeutet: Guter Sex ist für Christen da. Er ist für Leute da, die Gott dafür danken. In 1. Korinther 7,3 heisst es: „Der Mann gebe der Frau die Zuneigung, die er ihr schuldig ist, ebenso aber auch die Frau dem Mann.“ Und in 1. Korinther 7,5 wird gewarnt, sich dieser sexuellen Intimität nur kurzzeitig zu enthalten, „damit euch der Satan nicht versucht“ - was übrigens bedeutet, dass Sex nicht nur den Zweck hat, Kinder zu bekommen.
Gott hat uns Sex aus tieferen, wesensmässigen Gründen und zur Befriedigung gegeben. Der wunderbare Text aus Sprüche 5,18–19, den alle Männer lieben: „Deine Quelle sei gesegnet, und freue dich an der Frau deiner Jugend! Die liebliche Hindin, die anmutige Gemse, ihr Busen soll dich allezeit sättigen, von ihrer Liebe sollst du stets entzückt sein!“ zeigt ganz klar, dass sexuelle Berührung eine gute Sache ist. Das also als erstes.
Zweitens ist Sex nur für die Ehe gedacht. 1. Korinther 6,18 sagt: „Flieht die Unzucht!“ Das Wort Unzucht ist πορνείαν. Es ist ein Unterschied zwischen πορνείαν und μοιχεία. Μοιχεία ist Ehebruch und πορνείαν ist Unzucht. Es gibt illegitimen Sex während der Ehe; das nennt man Ehebruch. Und es gibt illegitimen Sex vor der Ehe; das nennt man Unzucht. Halte dich davon fern. „Fliehe davor“, sagt Paulus. Oder in 1. Korinther 7,9 sagt Paulus: Wenn sie sich nicht enthalten können, sollen sie heiraten, denn dieses Phänomen – dieses wunderbare Ding namens Sex – ist dazu gemacht, in der Ehe befriedigt zu werden.
Einer der Gründe dafür ist, dass die physische sexuelle Vereinigung als der körperliche Schlussstein einer emotionalen und geistlichen Verbindung in einem dauerhaften Bund gedacht ist. Wir sind keine Tiere. Sex hat Wurzeln und Zweige, die unser ganzes Wesen durchdringen und sich auf unser ganzes Wesen auswirken.
In unseren Filmen und unserer Literatur und unserer Werbung haben wir versucht, Sex aus diesem Zusammenhang mit einer bundestreuen, tiefen, emotionalen und geistlichen Einheit eines Mannes und einer Frau herauszureissen. Das richtet überall auf der Welt Verwüstung an. In dieser Beziehung empfinden Frauen ganzheitlicher als Männer. Sie sind so verdrahtet, dass sie die ganzheitlichen Dimensionen der Sexualität viel deutlicher wollen als Männer. Sie möchten nicht wie Tiere der animalischen Befriedigung von Männern dienen. Sie wollen eine Beziehung. Sie wollen, dass diese Sache sie persönlich meint und die Dimension von Treue in einem unverbrüchlichen Bund hat.
Es ist traurig zu sehen, wie viele Frauen in den Medien in einen Umgang mit Sex hineingezogen werden, der mehr der Forderung von Männern nach einem animalischen Umgang mit Sex entspricht als der ganzheitlichen, persönlichen Art. Also: Ehe ist der Ort, den Gott sich für diese schöne ganzheitliche Hingabe und die bundestreue, tiefe, persönliche, geistliche Realität mit dem Schlussstein des geschlechtlichen Verkehrs gedacht hat.
Die dritte Beobachtung ist die: Gedanklicher Sex gehört in die Ehe. Jesus hat gesagt: „Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, um sie zu begehren, der hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ (Matthäus 5,28). Das bedeutet, dass Sex in deiner Vorstellung – das heisst, eine Frau anzuschauen und dir auszumalen, wie du mit ihr ins Bett gehst oder sie entkleidest – nicht passieren darf.
Du solltest dir lieber das Auge ausreissen, als dem nachzugeben, weil es in die Ehe gehört. In der Ehe kannst du Sex sowohl in deiner Vorstellung als auch körperlich haben. Das sind die ersten drei biblischen Feststellungen. Wir wollen sie noch um eine Beobachtung aus der Erfahrung ergänzen, ehe wir ein paar Schlussfolgerungen ziehen.
Gott hat sexuelle Berührung als Einstimmung auf den Geschlechtsverkehr ausgelegt. Das deckt sich mit der Erfahrung der meisten gesunden Menschen. Dafür ist sie da. Es ist total frustrierend, mit sexuellen Berührungen zu beginnen und dann aufhören zu müssen, wenn die Leidenschaft stärker drängt. Diese Berührungen und diese Leidenschaft haben den Zweck, dich bis zum Ende zu führen. So hat Gott sich das gedacht. Nicht umsonst nennt man das „Vorspiel“.
Daraus lässt sich einiges folgern. Mein grosses Deswegen: Deswegen bringe dich nicht in eine Situation, wo Berührungen sexuellen Charakter haben, ehe du, biblisch gesehen, den ganzen Weg bis zum Ende gehen kannst. Also: Bring dich nicht in eine Situation, die das Verlangen weckt, immer weiter zu gehen.
Mein Grundsatz wäre: Vermeide Berührungen und Küsse, die sexuelles Verlangen wecken. Sie sind als Vorspiel gedacht, nicht als Spiel. Genauer gesagt, geht es um das Berühren von Brüsten und Genitalien. Ich kann mir keinen normalen Menschen vorstellen, der behauptet: „Ach, Brüste oder Genitalien zu berühren hat für uns nichts mit Sex zu tun. Das führt nirgendwo hin.“ Das wäre einfach verrückt. Es ist darauf ausgerichtet, uns wohin zu führen, und wenn du verheiratet bist, ist es eine wunderbare Sache, dass es dahin führen kann. Wenn also die Symphonie für die Ehe gedacht ist, dann ist auch der Teil der Symphonie, die man Präludium nennt, für die Ehe.
Ich würde vorschlagen, dass Männer und Frauen, die eine ernsthafte Beziehung eingehen, darüber miteinander reden. Sie müssen für sich entscheiden, wie sie sich vor der Versuchung schützen wollen, durch Berühren und Küssen sexuelles Verlangen zu erregen. Ich bitte die Männer: Seid hier stark und setzt reine und heilige Massstäbe fest. Zwingt sie nicht, diejenige zu sein, die es ansprechen oder die Bremsen anziehen muss. Übernehmt die Führung in Bezug auf Reinheit. Sie wird dich dafür lieben. Wenn es soweit ist, wird sie sich dir auf eine vollkommenere, schönere und ganzheitlichere Weise hingeben, weil du sie hoch genug geschätzt hast, um sie nicht auf unbiblische, sündige Weise zu benutzen.
Den Frauen möchte ich sagen: Verleitet keinen Mann dazu, euch zu berühren, weil ihr denkt, dass man so einen Mann hält. Wenn das nötig ist, um ihn zu halten, ist er es nicht wert, gehalten zu werden. Fühlt euch frei, zu jedem Mann zu sagen: „Nein. Tu das nicht. Bitte, bring uns nicht dahin.“ Wie sensibel er auf diese Dimension der Reinheit reagiert, zeigt euch, mit welcher Sorte Mann ihr es zu tun habt.
"Glückselig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen!“ (Matthäus 5,8). Danach streben wir. Wir wollen Gott sehen. Wir wollen ihn in unseren grossartigen sexuellen Beziehungen in der Ehe sehen. Ich denke, dass die Ehepaare, die sich am reinsten gehalten haben, auch die schönsten und besten Erfahrungen miteinander und mit Gott in der Ehe machen können.
Ein Wort zum Schluss. Vielleicht hörst du all das als Single und denkst dir: " Alles schön und gut. Aber ich bin nicht verheiratet, und am Horizont ist weit und breit niemand zu sehen. Was soll ich machen?" Ich möchte dir eins sagen: Fühle dich nicht als Mensch zweiter Klasse. Jesus Christus ist der vollständigste Mensch, der je gelebt hat, und er hatte nie Sex. Nicht verheiratet zu sein und keinen Sex zu haben, bedeutet nicht, dass an deinem Menschsein etwas fehlt. Man kann - wie Jesus - der vollkommenste, fruchtbarste und intakteste Mensch sein, ohne Sex zu haben.
John Piper (@JohnPiper) ist Gründer und Lehrer von desiringGod und Rektor des Bethlehem College & Seminary. 33 Jahre lang war er Pastor der Bethlehem Baptist Church in Minneapolis, Minnesota. Er ist Autor von mehr als 50 Büchern, darunter Desiring God: Meditations of a Christian Hedonist und zuletzt Providence. Artikel übersetzt von Ruth Metzger.
Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von desiringGod.