Über die Ablässe habe ich häufig zu euch gepredigt, bis ich verdient habe, ein Ketzer gescholten zu werden. Damit ihr aber die Sache selbst festhaltet und mich mit ihnen vergleichen könnt, so will ich die Sache ganz in ihrer Meinung darlegen, ausser wo es die Gelegenheit gibt, meine Meinung beizufügen. Es wird aber nach ihrer Meinung die Busse in drei Teile geteilt, die da sind: Reue, Beichte und Genugtuung.
Zum ersten die Reue — denn so fing man an, die wahre innerliche Busse zu nennen — wird in einer doppelten Weise erlangt. Erstens durch Erforschung, Zusammenfassung und Verabscheuung der Sünden, wonach einer, wie sie sagen, feine Jahre in der Bitterkeit seiner Seele überdenkt; ferner, dass er die Schwere, den Schaden, die Abscheulichkeit, die grosse Menge der Sünden, sodann den Verlust der ewigen Seligkeit und die Erwerbung der ewigen Verdammnis; erwägt, sowie alles, was Traurigkeit und Schmerz erwecken kann. Eine solche Reue aber macht die Busse heuchlerisch, ja sogar noch mehr sündhaft, weil er's nur aus Furcht vor dem Gebot und aus Schmerz über den Schaden tut, und alle solche werden unwürdig absolviert [1] und zum Sakrament zugelassen.
Denn wenn sie frei bekennen sollten, ohne das Gebot und die Drohungen der Strafe fürchten zu müssen, so würden sie sicherlich sagen, dass sie an ihrem vergangenen Leben kein Missfallen hätten, während sie so gezwungen werden zu bekennen, es missfalle ihnen. Ja, je mehr sie so durch die Furcht vor der Strafe und den Schmerz vor dem Schaden zerknirscht werden, umso mehr sündigen sie und werden von ihren Sünden ergriffen, die sie nur aus Zwang, aber nicht aus freiwilligem Herzen hassen, so es wahr ist, was der Apostel sagt in Römer 2,20: „Das Gesetz und die Erkenntnis der Sünde macht die Sünde noch viel mächtiger." Und dies ist jene Reue, von der sie selbst sagen, sie sei, weil ausserhalb der Liebe, nicht verdienstlich. Andere nennen sie einen Reueanflug [2], der zunächst zur Reue fähig mache. Das ist ihre Meinung, welche Meinung aber ich für einen Irrtum halte.
Zum andern wird die Reue erlangt durch Anschauung und Betrachtung der so herrlichen Gerechtigkeit, indem einer bei der Betrachtung der Schönheit und Herrlichkeit der Gerechtigkeit zu ihr entflammt und hingerissen wird und nun anfängt, mit Salomo ein Liebhaber der Weisheit zu werden, deren Schönheit er geschaut hatte. Das macht den Menschen wahrhaft bussfertig [3], weil er's aus Liebe zur Gerechtigkeit tut, und diese sind der Absolution würdig. Z.B.: Wenn du Reue haben willst über die Wollust, so darfst du nicht anfangen, ihre Laster, Schändlichkeiten und Schäden aufzuzählen, denn es wird dir dies nicht lang herhalten, da es eine gewaltsame Reue ist, die in Kraft des Gebotes geschieht. Aber schaue auf die Schönheit der Keuschheit und auf ihre gar lieblichen Vorzüge, auf dass sie dir aufs herrlichste wohlgefalle. Dies gilt auch von allen anderen Tugenden.
Aber hier musst du diese Regel merken, dass das Betrachten der Tugenden in doppelter Weise geschieht: Erstlich in abstrakter Weise, das ist, an sich; so aber bewegen sie den fleischlichen Menschen nur wenig. In dieser Weise wird es uns durch das Wort der Predigt dargeboten. Denn so wird es nur in beschaulicher, nicht sinnlicher Weise gesehen. Zweitens in konkreter Weise, das ist, an etwas anderem; wie z.B., du Menschen anschauest, die in solcher Tugend leuchten, unter welchen allen Christus der Urspiegel ist, und nach ihm die Heiligen im Himmel. Aber einen Rohen und Anfänger bewegen am meisten Beispiele aus der Gegenwart und seiner Zeit.
Darum siehe die Jungfrauschaft an den Jungfrauen und unschuldigen Kindern, bis dass du seufzest im Anblick einer solchen Schönheit; dies gilt auch von der Keuschheit, Liebe, Geduld und allen anderen Tugenden. Also lehrt St. Anselm sich aus der Liebe eines frommen Menschen zur Liebe Gottes aufzuschwingen. So schöpfte auch St. Augustin seine Reue aus dem Anblick derer, von denen er von Pontianus gehört hatte und er selbst bekennt, die Kirche habe ihm mit vollen Händen Beispiele gezeigt von Jungfrauen und derer, die Keuschheit gehalten hatten, und so sei er durch diesen herrlichen Geruch angezogen worden. So spricht auch der Apostel (2. Korinther 2,16), er sei ein guter Geruch, etlichen zum Leben, etlichen aber zum Tode.
Denn es ist ein Zeichen wahrer Reue, wenn du beim Anblick eines keuschen, demütigen, mildtätigen Menschen von Herzen aufseufzest, dass du nicht auch so bist. So betet auch die Kirche, Gott wolle uns durch die Beispiele seiner Heiligen erneuern; und St. Augustinus im achten Buche seiner Bekenntnisse, wenn er den Spruch aus dem 120. Psalm: „Die scharfen Pfeile des Gewaltigen samt den Kohlen, die alles verwüsten" (nach der Vulgata) auslegt, erklärt „die Pfeile" für die Worte, welche die Tugenden nach ihrer abstrakten Erkenntnis predigten, und „die verwüstenden Kohlen" für die Beispiele der Heiligen, die jegliche falsche Zunge, ja, alle böse Begierde vernichteten.
Also geschieht es durch die wunderbare Weisheit Gottes, dass kein Mensch sich selbst gut genug lebt; und es geschieht häufiger, dass fromme Leute anderen Nutzen bringen, ohne dass sie es wissen, ja, sie wissen es fast allezeit nicht, als die einfältig einhergehen, während andere durch ihre Worte und Leben in ihrem Gemüte wunderbar erfasst werden. So dient uns endlich auch das Leben der Knaben und Kinder dazu, uns die Gestalt der Unschuld in der anmutigsten Weise vor Augen zu malen und uns zur Busse aufzufordern, denn es sind lebendige Mahnrufe. Darum darfst du dich nicht beklagen, dass es dir an lebendigen Beispielen von Tugenden fehle; schaue auf die Kinder, wie Christus gelehrt hat, als er seinen Jüngern ein Kind vorstellte; das ist eine angenehme, wahre, beständige und aus dem Geist entsprungene Busse.
Ursache von all dem Vorgenannten ist: Es ist unmöglich, dass du etwas mit wahrem und vollkommenem Hasse hassest, dessen Gegenteil du nicht zuvor geliebt hättest. Die Liebe ist eher, als der Hass, und der Hass flieht von Natur und von selbst aus der Liebe, und so entsteht der Eifer, der eine erzürnte Liebe ist, das ist, der Hass des Bösen um des Guten willen. So kommt der Hass der Sünde und der Abscheu vor dem vergangenen Leben, ohne dass sie durch irgendwelche Sorge oder Anstrengung gesucht werden dürften, von selbst; sonst würde man die Liebe zur Gerechtigkeit erlangen wollen durch den Hass der Sünde, das eine Verkehrung aller Ordnung wäre und ohne irgendwelchen Nutzen von unserer Anstrengung, ja, gerade die Gemachtheit der Verzweiflung und eines zerknirschten Geistes wäre eine solche Verkehrung. Denn die Busse muss süss sein und aus der Süssigkeit in den Zorn überleiten, zum Hass der Sünde; denn die Liebe ist ein stetes Band, weil es willig geschieht, der Hass aber ist nur ein zeitweiliger, weil er gewaltsam geschieht. Darum bringe einen Menschen zuerst dazu, dass er die Gerechtigkeit liebe, und ohne deine Lehre wird er über seine Sünde Reue bekommen; er liebe Christus und alsdann wird er schonungslos sich selbst hassen. Dar um heißt es Psalm 45,8: „Du hast geliebt die Gerechtigkeit und gehasst gottlos Wesen." Er spricht zuerst: „Du hast geliebt die Gerechtigkeit", und dann erst: „Du hast gehasst gottlos Wesen" usw.
Zusatz: Du musst dich bei der Beichte mehr darüber erforschen, ob du auch recht die Gerechtigkeit liebst, als darüber, ob du die Sünde recht hassest, und musst mit weit grösserem, ja mit alleinigem Fleiss darauf denken, wie du das zukünftige Leben gut gestaltest, als wie du das vergangene böse Leben verlassest oder hassest, denn das Sprichwort, welches wir Deutsche haben: „Nimmer tun die höchste Busse", das ist, die beste Reue ist ein neues Leben, ist ganz wahr und richtig, besser als alle Erklärungen, die bisher von der Reue gegeben wurden; wie auch der Apostel an die Galater schreibt (Galater 6,15): „In Christo gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern eine neue Kreatur."
Weiter, wenn du beichten willst, so bedenke bei dir vornehmlich und vor allen Dingen, was du tun wolltest, wenn es kein Gebot zur Beichte, wenn es keine Fasten gäbe, wenn kein Mensch beichtete, wenn keine Scheu noch Scham märe, sondern jeder Freiheit hätte, zu tun, was er wollte: ob du auch so beichten, bereuen, Busse tun wolltest? Findest du dich nicht also gesinnt, so wisse, dass du schon nicht aus Liebe zur Gerechtigkeit, sondern aus Gewohnheit und Furcht vor dem Gebot Reue hast, Busse tust und du auch lieber mit dem grossen Haufen laufen würdest, wenn es allen erlaubt wäre, keine Busse und keine Reue zu haben. Wenn du aber, auch wenn kein Mensch reuen, beichten und zerknirscht sein würde und selbst, wenn die ganze Welt anders handeln würde und ohne auf ein Gebot Rücksicht zu nehmen, Reue haben möchtest nur aus Liebe zu einem neuen und besseren Leben, dann hast du wahre Reue. Siehe, das ist es, was jene zu sagen pflegen, dass die Reue, die in der Liebe geschieht, die Sünden vergeben macht. Ich weiss nicht, ob dieses Wort alle verstehen, die es selbst so häufig im Munde führen, aber das weiss ich, dass es sehr dunkel ist und von mir noch nie recht verstanden worden.
Hier aber wirst du finden, wenn du nicht lügen willst, dass du kein solcher bist, sondern du möchtest vielmehr, dass dir dein früheres Leben noch erlaubt sei, denn du fühlst dich ganz und gar noch zu deinem früheren Leben geneigt. So bekennt auch St. Augustinus, er habe in seiner Reue noch immer mit Sorge an das vergangene Leben gedacht. Ja, wenn du das Gesagte recht erwägest, so kannst du wohl sagen, es sei kein Mensch auf der ganzen Welt, oder doch nur ganz wenige, die diese Reue hätten. Und von mir selbst bekenne ich ganz das Nämliche. Und wenn du's wahrhaft und aufrichtig bekennen wolltest ohne Rücksicht auf Gott, auf Gebot, Strafe, Freude, ich weiss, du würdest sagen: wenn es keinen Gott gäbe, keine Hölle, so würde ich sicherlich schwerlich Busse tun. Ich weiss, sage ich, dass so deine Gesinnung ist, wie sehr du auch äusserlich Reue zeigen magst.
Was sollen wir also hier tun? Wir sollen so sein und können doch nicht so sein; sollen wir also alle verdammt sein? Das sei ferne; doch wir wollen hieraus antworten: Du musst dich als den erkennen, der du bist, und nicht leugnen, so zu sein, sondern in einen Winkel gehen und nach dem Rate Christi im Verborgenen zu deinem Vater im Himmel beten, indem du, ohne zu heucheln, sagst: Siehe, guter Gott, du befiehlst mir, Busse zu tun, aber ich Elender bin so, dass ich fühle, ich habe weder Willen noch Vermögen hierzu. Darum zu deinen Füssen liegend bitte ich deine Barmherzigkeit und Gnade, mache du mich bussfertig, der du mir die Busse geboten hast. Und so magst du auch mit St. Augustinus beten: „O Herr, gib nur, was du befiehlst, und dann befiehl, was du willst"; und mit der ganzen Kirche: „Gib mir ein bussfertiges Herz." Dies Gebet, sage ich, und diese Anerkennung und dieses Bekenntnis deiner Unbußfertigkeit — wenn es nicht erdichtet ist — wird's gerade schaffen, dass Gott dich für einen wahrhaft Bussfertigen ansieht. Und magst du dich auch noch gar sehr zum Bösen hingeneigt fühlen, fürchte dich nicht, dies dein Bekenntnis und Gebet wird es tun, dass Christus von dem Seinen ersetzt, was an dem Deinen abgeht.
Und lasse dich ja nicht durch deine Unwürdigkeit und Unreinigkeit von solchem Gebete abhalten; gehe getrost hinzu. Denn wenn du nicht eher — wie ihrer viele törichter Weise tun — zu Gott beten willst, als bis du ganz rein seiest, so wirst du nie zum Beten kommen. Und glaube fest, der dir diese Erkenntnis deiner Sündhaftigkeit gegeben hat ohne dein Bitten, der wird dir auch gewisslich auf dein Bitten hin die Gnade geben; ja, er hat dir darum die Erkenntnis; der Sündhaftigkeit und Gerechtigkeit gegeben, auf das; du um die Gnade beten sollst. So spricht auch St. Augustinus mit dem Apostel (Römer 3,20): „Durch das Gesetz kommt Erkenntnis; der Sünde, auf dass die Gnade verliehen und erlangt werde."
Nimm ein Gleichnis an: Die Heiden beteten vor Zeiten zu ihren Götzen, und es geschah, um was sie gebeten hatten; und der Geizhals setzt sein Vertrauen auf seine Reichtümer, und wie er's begehrt, so geschieht's: um wieviel mehr nun wird's der wahre und gütige Gott nicht zu lassen, dass man vergebens zu ihm bete und auf ihn vertraue. Erster Zusatz. Die wahre Reue ist nicht aus uns, sondern aus der Gnade Gottes; darum müssen wir an uns verzweifeln und zu seiner Barmherzigkeit hin fliehen. Zweiter Zusatz. Die Reue fängt an in dem bussfertigen Menschen, aber sie hört nicht auf unser ganzes Leben lang bis zum Tode und dauert nicht, wie viele meinen, nur allein eine Stunde lang bei der Beichte. Siehe, hier hast du, wie du's verstehen musst, wenn jene sprechen: man müsse Reue haben aus Liebe und mit gutem Vorsatz, so viel Gott Gnade gibt. Keiner darf also dem Priester antworten: er habe Reue; so soll auch der Priester nicht darnach forschen; es sei denn, dass er sagen möge: „Ich weiss nicht, ob ich Reue habe, doch bitte ich den Herrn und habe die feste Zuversicht, dass ich mit seiner Gnade Reue habe und täglich darin zunehme“. Soviel vom ersten Teil der Busse.
Der zweite Teil ist die sakramentliche Beichte. Und hier ist zweierlei zu merken. Erstens, dass du dir ja nicht vornehmest, verzeihliche Sünden [4] zu beichten, ja, nicht einmal alle Todsünden, weil es unmöglich ist, alle Todsünden zu erkennen; zum Unmöglichen aber ist niemand verpflichtet. Daher denn auch in der ersten Kirche allein die offenbaren Todsünden gebeichtet wurden, wie es aus 1. Korinther 5,11 erhellt: „So jemand ist unter euch ein Hurer oder ein Geiziger oder ein Götzendiener oder ein Lästerer oder ein Trunkenbold oder ein Räuber, mit demselben sollt ihr auch nicht essen."; und in Galater 5,19 heisst es: „Offenbar sind die Werke des Fleisches."
Viele beichten nach den fünf Sinnen, nach den sieben Gaben, den sieben Sakramenten, den acht Seligkeiten und viel andern Unterscheidungen der Sünden, indem sie gleichsam besorgt sind, doch ja keine Sünde in der Beichte auszulassen, da doch manchmal sich solche darunter befinden, die gar keine Sünden sind oder doch nur verzeihliche, und ermüden damit den Priester, vergeuden die Zeit und sind andern beschwerlich.
Darum sollst du auf zweierlei Weise zu beichten gerüstet sein. Einmal, wo du dem Priester alle offenbaren Todsünden beichtest, obwohl es sehr schwer ist, den Unterschied zwischen Tod- und lässlichen Sünden zu finden, ausgenommen, wo sie in einer offenbaren Tat sich äussern oder mit augenscheinlicher Zustimmung des Herzens, als, Lästerung, Diebstahl, Mord, Ausschweifung, Verleumdung, Zorn, Feindseligkeit usw. Das andere Mal, wo du Gott alles andere bekennest, ja, mit Hiob sprechest (Hiob 9,28 nach der Vulgata): „Ich bin in Furcht um all meiner Werke willen, denn ich weiss, dass du des Sünders nicht verschonest"; und mit dem Psalmisten (Psalm 19,13): „Wer kann merken, wie oft er fehlet? Vergib mir die verborgenen Fehle."
Denn selbst unsere guten Werke sind nicht gut, ja vielmehr sind sie verdammungswürdige Sünden, wenn Gott mit uns ins Gericht gehen wollte. Darum spricht David (Psalm 143,7): „Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht; denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht."; und abermals (Psalm 116,11): „Alle Menschen sind Lügner." Nur allein durch dies aufrichtige demütige Bekenntnis; im Gebet sind sie (das heisst, die sündhaften Mängel an unseren guten Werken) uns verziehen und werden verdienstlich. Darum gebietet er uns auch zu beten: „Vergib uns unsere Schulden."
Indem wir daher alles rein beichten wollen, tun wir nichts anderes, als dass wir der Barmherzigkeit Gottes nichts wollen zum Vergeben übrig lassen, noch auf ihn vertrauen, sondern trotzen auf unsere Beichte und wollen dadurch sicher sein, noch uns vor seinem Gericht fürchten, da doch „Der Herr ein Wohlgefallen hat an denen, die ihn fürchten, und an denen, die auf seine Barmherzigkeit vertrauen." (Psalm 147,11)
Das habe ich darum gesagt, dass ihr in der Todesstunde gewarnt sein möget, wo uns der Teufel nicht bloss die heimlichen Todsünden aufrückt und gross macht, sondern auch aus den lässlichen, ja, selbst aus den guten Werken wird eitel schreckliche Sünden machen, und unser ganzes Leben als verloren und verdammenswert zeigen, auf dass du wissest, was du tun sollst, nämlich dass du da nicht sagest: Ach, hätte ich doch gebeichtet oder Zeit zum Beichten! auf dass du nicht etwa verzweifelst, was er gerade wünscht; sondern habe Vertrauen und sprich: Ich weiss, dass mein ganzes Leben verdammlich ist, wenn es sollte gerichtet werden; aber der Herr hat geboten, mein Vertrauen nicht auf mein Leben, sondern auf seine Barmherzigkeit zu setzen, wie er selbst spricht (Matthäus 9,2): „Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben."; und Psalm 63,4. heisst es: „Deine Barmherzigkeit ist besser denn Leben."; denn so sprach auch St. Bernard, als er einstmals glaubte, er würde sterben: „Ich habe meine Zeit vergeudet, denn ich habe ein verlorenes Leben geführt, und ich habe nichts als ein geängstigtes und zerschlagenes Herz, das wirst du, o Gott, nicht verschmähen." (Psalm 51,19).
So, so wird dich die Furcht vor dem Gericht demütigen, aber das Vertrauen auf die Barmherzigkeit wird dich Gedemütigten wieder erheben.
Zum andern, siehe zu, dass du dich keineswegs darauf verlassest, um deiner Reue willen absolviert zu werden; denn so würdest du dein Vertrauen auf dich und deine Werke setzen; sondern um des Wortes Christi willen, das er zu Petrus gesprochen (Matthäus 16,19): „Alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein." Darauf, sage ich, setze dem Vertrauen, wenn du die Lösung des Priesters erhältst, und glaube sicherlich, dass du absolviert seiest, und du wirst wahrhaftig absolviert sein. Denn sie lügt dir nicht, mag es um deine Reue stehen, wie es wolle. Denn sonst würdest du dem Urteil nicht glauben, das Gott über dich ausgesprochen hat, der nicht lügen kann, und würdest dich so für wahrhaftig, ihn aber zu einem Lügner machen; denn dies Urteil muss fest und sicher fein.
Darum musst du hier weit mehr darauf sehen, dass nichts an diesem Glauben fehle, es fehle sonst, wo es wolle. Ja, wenn es möglich wäre, dass der Beichtende keine Reue hätte, oder der Priester nicht im Ernst, sondern nur aus Scherz die Absolution spräche, dennoch, wenn er nur glaubt, er sei absolviert, so ist er wahrhaftig absolviert. Ein solch grosses Ding ist es um den Glauben, und so mächtig ist das Wort Christi. Deshalb müssen verdammt sein, die nicht eher trauen wollen, sie seien absolviert, als bis sie ganz gewiss sind, dass sie genugsam gereuet haben, und so das Gebäude ihres Gewissens auf Sand und nicht auf einen Felsen bauen.
Also liest man in der Kirchengeschichte [5] am 14. Kapitel des 10. Buches, dass St. Athanasius, als er einst mit anderen Kindern spielte, sie taufte, wie er es von den Priestern gesehen hatte, und der Bischof St. Alexander urteilte, dass sie recht getauft seien. Item, ein gewisser Schauspieler wollte sich zum Spott taufen lassen, um dem Kaiser zu gefallen; doch siehe, unter dem Spiel erschien ihm ein Engel mit einem Buch, und er glaubte; und so ward er gerade durch diese Spotttaufe recht getauft. Darum muss sich, der beichtet, weit mehr darüber erforschen, ob er glaube, absolviert zu werden, als darüber, ob er rechte Reue gehabt; gleichwie Christus die Blinden fragte: „Glaubet ihr, dass ich euch solches tun kann?" Und mit Recht; denn die Reue kann niemals recht genug sein; wäre sie aber auch recht, so ist sie doch nicht sicher, und ob sie wohl sicher wäre, so ist sie's doch nicht genugsam; der Glaube aber und das Wort Christi sind ganz recht, ganz sicher und ganz genügend.
Es fällt also dahin der Irrtum derer, die da sagen, dass die Sakramente des neuen Gesetzes in der Weise wirksame Gnadenzeichen seien, dass, wenn auch einer schon keine rechte Reue, sondern nur einen Reueanflug hätte, wo er nur nicht ein Hindernis durch eine wirkliche Sünde oder den Vorsatz zum Bösen entgegen stellte, so könne er Gnade erlangen. Ich aber sage dir, wenn du auch mit einer rechten Reue hinzugingest, aber nicht glaubtest an die Absolution, so gereichen dir die Sakramente zum Tod und zur Verdammnis. Denn der Glaube ist notwendig; um wieviel weniger genügt also ein Reueanflug oder die Nichtsetzung eines Hindernisses; endlich aber gibt es keinen solchen in der ganzen Welt, der nicht ein Hindernis entgegensetzte, ohne allein, der da glaubt, da allein der Glaube rechtfertigt, und „Wer zu Gott kommen will, der muss glauben." (Hebräer 11,6).
Denn jener gemeine Spruch ist ganz wahr und richtig: „Nicht das Sakrament, sondern der Glaube an das Sakrament rechtfertigt"; oder wie St. Augustinus sagt: „Das Sakrament wirkt nicht, weil es geschieht, sondern weil es geglaubt wird." Wenn aber das Sakrament nicht rechtfertigt, sondern der Glaube an das Sakrament, um wieviel weniger rechtfertigt die Reue oder die Nichtsetzung eines Hindernisses; sondern allein der Glaube!
Aber hier entsteht wiederum die Frage: Wie unterscheiden sich die Sakramente des alten und neuen Gesetzes, wenn diese ebenso wenig die Gnade geben als jene; doch das gehört auf eine andere Zeit. Es ist genug zu wissen, dass die Sakramente des neuen Gesetzes wirksame Gnadenzeichen seien, wenn du glaubst, und nicht weiter. Soweit vom zweiten Teil der Busse.
Der dritte Teil ist die Genugtuung, von der man zwar nichts in der Schrift liest, doch sagen sie, sie geschehe auf zweierlei Weise. Einmal durch Erfüllung guter Werke, als da sind, Almosen, Fasten, Gebete; das andere Mal durch Ablässe; doch darüber habt ihr meinen Sermon, der neulich im Druck herausgekommen ist; darum lasse ichs für jetzt fahren. Lese es daselbst.
[1] Luther meint hier die Absolution, die der Priester den Beichtkindern erteilt. Diese werden dann von ihren Sünden „befreit“ oder „losgesprochen“, eben (lat.) absolviert.
[2] Reueanflug (lat.: attritio) wird nach der Lehre der römisch-katholischen Theologen demjenigen beigelegt, der keine wirkliche Reue (contritio) haben kann, aber doch den Wunsch hat, wahre Reue zu haben, Anm. d. Red.
[3] Luther spricht hier immer nach der Meinung der Scholastiker. Anmerkung von Löscher.
[4] Im Unterschied zu den Todsünden, die mit Willen und Wissen aus Bosheit begangen werden, nennt die römische Kirche verzeihliche oder lässliche Sünden solche, die von geringerer Bedeutung sind (wenn man z. B. einem reichen Mann einen Taler stiehlt) oder die aus Unachtsamkeit usw. begangen werden, weil sie Gott auch den Ungläubigen verzeihe oder erlasse, d, h. sie ihnen nicht als verdammliche Sünde anrechne. Anm. d. Red.
[5] Hier ist das 1. Buch der Kirchengeschichte von Rufinus gemeint, die eine Fortsetzung der Kirchengeschichte von Eusebius, die neun Bücher enthält, bildet. Tyrannius Rufinus, ein Presbyter zu Aquileia. studierte daselbst mit Hieronymus, lebte gleichzeitig mit Athanasius, und starb 410. Anm. d. Red.